Vor-Aufführung von Faust in der
Galerie Splettstößer
Liebe Gäste, ich möchte zu Beginn ein paar Sätze zu
unserer Truppe und zu ihren Zielen sagen.
Die Gruppe ist entstanden aus der THEATER-AG des
Büchner-Gymnasiums, sie ist aber mittlerweile eine bunt gemischte Truppe
aus Leuten verschiedenen Alters von 79 bis 12 Jahren, durchaus auch
verschiedener Herkunft und Bildung. Alle verbindet uns die Freude am
Theaterspiel und der Drang, kreativ zu arbeiten . Aber auch der
Wunsch, unser Erleben rüberzubringen zu anderen Zeitgenossen.
Für uns ist ein
Theatertext nicht ein Stück zu rekonstruierender Vergangenheit, sondern
ein Anlass, uns dieses Stück aus unserem Erleben heraus zu eigen zu
machen und aus unserem Denken und Empfinden heraus neu zu erfinden.
Sicher haben wir nicht die Fähigkeiten und Möglichkeiten
der Profis, aber die Begeisterungsfähigkeit und Literaturverliebtheit
der echten Amateure.
Zurzeit beschäftigen wir uns mit dem Goetheschen Faust.
Goethe hat die Figur
des „Faust“ nicht erfunden.
Ich denke weniger
daran, dass es einen historischen Faust gibt,
eine schillernde Figur, die in den überlieferten Quellen manchmal als
betrügerischer Quacksalber, manchmal als ernst zu nehmender
Wissenschaftler, immer aber als skrupelloser Charakter dargestellt
wird, der auf gewaltsame Weise ums Leben kommt.
Wichtiger sind die
literarischen Wurzeln des Goetheschen Faust.
Und die reichen weit zurück.
Da gibt es schon die
Figur des wissenschaftlich Forschenden,
der sich um der tieferen Erkenntnis willen dem Teufel verschreibt und
dabei seine unsterbliche Seele verspielt oder aber durch Gottes Gnade
gerettet wird. Als Beispiel sei Papst Silvester II (950 – 1003)
genannt. In verschiedenen Varianten ist die Geschichte durch die
Jahrhunderte hindurch überliefert bis in die mittelalterlichen
Mysterienspiele und die barocken Dramen hinein.
In der 2.Hälfte des
16.Jh.s wird nun -
und jetzt kommt die historische Figur des Faust wieder ins Spiel
- die altbekannte Literatur-Figur des Teufelspaktlers im
sogenannten „Volksbuch“ verknüpft mit der Vita des historischen
Faust. Das gewaltsame Ende der historischen Figur wird umgedeutet
in die Behauptung, der Teufel habe sie geholt. Und das
Geschehen wird dargestellt als abstoßendes Beispiel für alle, die am
orthodoxen Glauben zweifeln.
Das Volksbuch war keine hohe Dichtkunst, es hatte das
Niveau eines Drei-Groschen-Romans.
In England kam der Stoff dann in die anspruchsvolle
Literatur: ein Zeitgenosse Shakespeares, Christopher Marlowe machte
daraus ein Drama, das in gewisser Weise noch in der Tradition der
Mysterienspiele stand, aber doch entscheidend davon abwich: Faust
wird zwar auch hier vom Teufel geholt, aber auf der anderen Seite wird
er als der Rebell charakterisiert, der Wagemutige, der die Schranken
der Tradition überwindet, also ein Renaissance-Mensch. Und er hat
eindeutig die Bewunderung des Autors und wird zum Helden im Sinne der
antiken Tragödie umstilisiert wird.
An diese neue Deutung der Figur knüpft Goethe an, wenn er
Faust darstellt als den Sucher, der die dem Menschen gesetzten Grenzen
mutig und zugleich skrupellos überwindet, indem er einen Pakt mit dem
Teufel eingeht.
Marlowes Drama war
nicht die einzige Quelle Goethes. Er kannte auch das Puppenspiel und das
Volksbuch,
das immer wieder neu aufgelegt wurde, aber immer noch mit der gleichen
Tendenz der Abschreckung.
Neu in der
Stoffgeschichte ist bei Goethe nun die Verknüpfung der
Gelehrten-Tragödie mit der Gretchen-Tragödie.
Letztere hat ihren Ursprung in der Biographie des Dichters: Goethe hat
in seiner Frankfurter Zeit miterlebt, wie eine Kindsmörderin öffentlich
hingerichtet wurde. Dies Erlebnis hat ihn tief getroffen und seine
Dichtung, speziell das Faustdrama, stark beeinflusst.
Für uns, die wir ja in der Regel nur den ersten Teil des
Goetheschen Dramas kennen, ist die Gestalt Gretchens ein wichtiges
Element der Faustgeschichte geworden und bestimmt unsere Interpretation
und Wertung Fausts entscheidend mit. Faust kann
für uns nicht mehr wie in der Nazi-Zeit als Inbegriff deutschen Wesens
gedeutet werden, oder zum literarisch überhöhten Urbild des
fortschrittlich denkenden Arbeiters werden wie in der Interpretation der
DDR-Ideologen.
Wir sehen eher skeptisch auf seinen ungebremsten
Forschungsdrang und vor allem auf seine skrupellose Art im Umgang mit
seinen Mitmenschen. Und so kann man fast sagen,
dass uns Faust wie zu Zeiten des Volksbuchs eher als zwar
faszinierendes, trotzdem aber als gefährliches Drohbild und
abschreckendes Beispiel dient, nur unter ganz anderen Aspekten wie in
der Reformationszeit.
Liebe Gäste, wir geben
Ihnen heute einen Einblick in unsere Probenarbeit.
Ein Sie sehen deswegen heute auch nur Ausschnitte aus dem Drama,
vornehmlich aus der ersten Hälfte des Stücks. Der Zettel auf
Ihrem Stuhl gibt Ihnen aber neben den Kommentaren des Regisseurs
einen Überblick über den Handlungsverlauf.
Seien Sie gnädig mit uns und übersehen Sie die
zweifellos noch existierenden Schwächen. Spenden Sie Beifall, denn der
ist der einzige Lohn für die Mühen, den der Amateur bekommt.
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