Kunstaktion "Wachsender Adventskalender 2006" - Tag 19

 

Grenzanlagen durchziehen den Geburtsort Jesu.
Grenzanlagen trennen verwandte Herzen.
Grenzanlagen verengen den Blick auf Schwarz oder Weiß.
Grenzanlagen kennen nur Gute oder Böse.
Grenzanlagen teilen ein in Mächtige und Wehrlose.
Grenzanlagen kommen ständig in uns auf und auf uns zu.
Maria aber singt: "ER stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen."
Dr. Kurt-Peter Gertz                                                                                                               kath. Pfarrer in Kaarst

Die Gesellschaft der Zukunft - ohne Kinder - ohne Abenteuer - ohne Geheimnisse - ohne irgendeine Stelle der Geborgenheit - mit völlig transparenten Menschen! Und hoch oben die Undurchsichtigen, die den totalen Über-Ein-Durchblick haben, die alles observ-kontroll-manipulieren.
Es gibt kein Entrinnen! 
Josef Grüning 

Die Zukunft des Strands vom Gaza-Streifen?

Dorothea Zillmer

Zugegeben, ich habe Schwierigkeiten mit diesem Bild, trotz seines wunderbar klaren Aufbaus. Aber was heißt das schon? Manches erschließt sich eben nicht auf den ersten und auch nicht auf den zweiten Blick. Das Bild vom 7. Tag etwa, das so viele enthusiastische Kommentare bekommen hat, hat's in sich. Erst viele Tage nach der Veröffentlichung fiel mir auf, was ich zuvor übersehen oder einfach übergangen hatte. Etwas unterhalb der Nase des Schreibenden sieht man ein merkwürdiges, augenähnliches Gebilde. Da ich nichts damit anfangen konnte, ignorierte ich es, bis ich bei späterer Durchsicht neugierig wurde und die Kopie des Bildes nach rechts drehte, im Winkel von 90 Grad. Da erschien mit einem Mal ein dunkles Gesicht mit eben diesem Augengebilde, komplementär zum Gesicht des Schreibenden. Das plötzlich sichtbare dunkle Profil ist unheimlich, geradezu teuflisch. Die Botschaft ist klar: Auch da, wo du dies nicht vermutest, kann das Dunkle, Böse unversehens auftauchen, vielleicht sogar in dir selbst. Also: Vigilate, seid wachsam! - Vielleicht geht mir eines Tages auf, was es mit dem Bild vom 19. auf sich hat. Wer sind die beiden weißen, miteinander verschmolzenen, weit gewandeten Figuren, die weiße Schatten werfen? Sie wirken unirdisch. Für wen sind die aufgestellten Liegen gedacht? Sind es überhaupt Liegen? Wer sind die dunklen Gestalten auf der hohen Mauer, die auf die hellen Figuren hinunter schauen, hat einer von den beiden eine Waffe in der Hand? Das Bild erzeugt in mir ein Gefühl der Kälte. Das mag an den scharfen Kontrasten, an dem Motiv der Reihung oder daran liegen, dass es außer den vier Figuren nur Technisches gibt, Lebeloses also.
Mit den Rätselbildern von Wilhelm Schiefer geht es dem Betrachter wohl wie mit Geschichten von Kafka: Irgendwann, wenn man sich in der entsprechenden Situation befindet, beginnen sie zu sprechen.
Helmut Engels

 

Während sich das christliche Abendland auf ein friedliches Weihnachtsfest freut, ist das Heilige Land weit davon entfernt. Nicht nur durch Bethlehem, die Geburtsstadt Jesu, verläuft heute eine hohe Mauer, jetzt bekämpfen sich die Palästinenser auch noch gegenseitig. Schiefers Bild dieser hohen Mauer gibt kaum Hoffnung auf Frieden und Aussöhnung, Grautöne kommen nicht vor. Das Schwarz-Weiß steht für eine klare Trennung in Licht und Schatten, Gut und Böse - je nach Sichtweise. Es fehlen die Posaunen von Jericho und der Stern von Bethlehem.
Heribert Brinkmann

Möglicherweise ein  Abbild der Trennmauer zwischen Israel und Westbank, die durch Bethlehem führt und die gestern in der NGZ abgebildet war unter der Überschrift "Bethlehem wird zu einem großen Gefängnis" - die Mauer als ein Zeichen der nicht endenden Konflikte in dieser Region -  aber auch als Metapher für die verschiedenen Mauern in unseren Köpfen, die verhindern, dass wir unseren Mitmenschen mit der nötigen Offenheit begegnen!                                                                                        Dr. Brigitte Splettstößer

Warum diese hohe Mauer? - Sie ist für nichts nütze. Sie trennt, hält fern, fördert Vermutungen und Vorurteile. Es gibt nur ein gutes Ziel: Reißt sie ein! Dann kommen die von oben runter und sprechen mit denen, die schon unten sind. - Berlin ist ohne Mauer schöner. Diese Wahrheit dürfen wir verallgemeinern  Franz-Josef Moormann

Letzte Gäste am Strand. In diesen trüben Dezembertagen wächst die Sehnsucht nach Sonne und Wärme. Doch die steile, dunkle Strandmauer lässt die Bedrohung vom Meer her erahnen.  Inge und FraWi Servaes

Längs einer großen Mauer, die sich geschwungen in der Ferne verliert, reihen sich steinerne Sitze, die auch nach hinten sich verkleinernd in eine endlose Stufe übergehen. Dort stehen zwei Menschen nebeneinander im langen weißen Gewand. Auf der Mitte der Mauer hoch oben lehnen sich zwei dunkle Körper über den Rand, der eine könnte eine Waffe in der Hand halten, und schauen in den Raum. Ist es die Stoa Poikile, die ehemalige Säulenhalle an der Agora des antiken Athen, um 460 v.Chr., die später die Stoiker als Versammlungsort nutzten? Warum dann die Wächter oben - Gedanken sind frei. Ein Medienbild in diesen Tagen zeigte den englischen Ministerpräsidenten Tony Blair bei dem palästinensischen Staatspräsidenten Mahmud Abbas in seinem stark gesicherten Regierungsgebäude, wie sie in einer ähnlich dimensionierten Halle an einem unendlichen Spalier bewaffneter Soldaten vorbei schritten. Ein Bild des Schreckens. Im übrigen erinnert die künstlerische Darstellung Wilhelm Schiefers an die 'pittura metafisica', die in den 20iger Jahren von Italien aus die Kunst der 'Neuen Sachlichkeit' beeinflusste, hier besonders an Giorgio de Chirico, Geheimnis und Melancholie einer Straße, 1924 (siehe Kathrin Wappenschmidt - Herbert Jacobs: "Spielende Schmetterlinge" - Herbert Böttger und die Malerei der Neuen Sachlichkeit, 2 Bde., Meerbusch 1998, Bd. 1, S. 21f., mit Abb.: "Das Bild ... stellt eine uniforme, fast endlos erscheinende Architektur dar", das "dem Betrachter ein beunruhigendes Gefühl vermittelt". 

Sabine und Herbert Jacobs 

Eine hohe geschwungene, aus Einzelelementen bestehende Mauer mit zwei Menschen, die von oben heruntersehen. An der mauer entlang eine Reihe von Stühlen oder Gartensesseln. Sessel? Sind das wirklich Sessel? Oder die Betonfüße der Mauer? In der Ferne zwei gleich große Menschen, die nebeneinander langsam an der Mauer entlang schlendern. Sie sehen aus wie ein Zwillingspaar und werfen einen langen Schatten dem Betrachter entgegen. 

Die Bilder von Wilhelm Schiefer werden von Tag zu Tag kryptischer. Ich denke an die Mauer in Berlin. Oder auch an die Mauer zwischen Israel und Palästina. Die Szenerie in Schiefers Bild hat aber nichts Beunruhigendes, Gefährliches an sich, sie wirkt beinahe idyllisch - beinahe -. Beinahe deswegen, weil die Mauer zu hoch ist. solch hohe Mauern sind Befestigungsmauern.
Vielleicht handelt es sich auch um die Mauer einer alten Burg und ein paar Touristen. Das würde am besten passen. Ich zermartere mir den Kopf, alle möglichen Assoziationen fließen hin und her, ich könnte noch Vieles schreiben, aber ich höre jetzt auf damit.       Utz Peter Greis
 
Es ist gut, in dieser Zeit an die Mauer erinnert zu werden. Früher wurden dann immer Päckchen für die Brüder und Schwestern im Osten gepackt. Auch wenn die Mauer längst eingerissen ist, so steht sie doch noch in vielen Köpfen, wie auch dies- und jenseits des Nordkanals. Der braune Brei in Brandenburg wird immer dicker und die Partnerschaft
des Rhein-Kreis-Neuss mit dem Kreis Prignitz existiert nur auf dem Papier. Kaum ein Trost, dass die Liegestühle auf der Sonnenseite auch nicht belegt sind.
Frohe Weihnachten wünscht
Burkhard Siemsen

Mauern werden errichtet - und wieder niedergerissen. Was derzeit in Israel und Palästina höchstens noch Vision ist, ist in Berlin, in Deutschland wahr geworden. Allem Gerede von den Mauern in den Köpfen und allem, was Ost und West - zum Beispiel in der wirtschaftlichen Entwicklung - nach wie vor unterscheidet (nicht trennt!): Die Mauer ist Geschichte, aus, vorbei. Wer es nicht glaubt, sollte seine Kinder fragen. Mauerbau und Mauerfall sind aus Kindersicht klare Fälle fürs Geschichtsbuch. Wer mit Kindern Berlin besucht, bemerkt schnell die erstaunten, ja fast ungläubigen Blicke: Hier soll eine Mauer gestanden haben? Das liegt nicht an mangelnder (Schul-) Bildung, darum geht es nicht. Das Wissen um die deutsche Teilung ist schon vorhanden. Die Stadt und ihre Menschen jedoch haben es in letztlich nur wenigen Jahren geschafft, Wunden zu schließen, die Generationen vor ihnen als unheilbar galten - auch wenn noch manche Narbe juckt. Das macht Mut und gibt Hoffnung - auch für den Nahen Osten.                                          Frank Kirschstein

Kennen wir das nicht – zumal als Deutsche in Deutschland? Die Mauer! Sie stand recht lange, jedoch nicht für immer; am Potsdamer Platz muss man nach der Linie im Pflaster suchen. Hadrian Wall, die Chinesische Mauer – alle wurden sie irgendwann sinnlos. Im Heiligen Land steht wieder eine Mauer, auch aus haushohen Betonteilen entlang einer absurd kleinräumig aufgezeichneten Linie zwischen – ja zwischen wem eigentlich? Wen trennt sie von wem? Die Reaktion bleibt nicht aus – Bombenattentate!                      Die beiden Menschen am linken Bildrand werfen Schatten auf die Fundamente der hohen Betonmauersegmente – oder sind es zum Sitzen einladende Bänke? Das wäre allerdings das Härteste – Sitzbänke direkt an der Mauer! Haben sie selbst diese Mauer mit ihren Stützelementen angelegt und gebaut? Gehen sie an der Mauer entlang und kontrollieren, ob sie auch ihre Funktion erfüllt?                                                                        Die beiden, die über die Mauer auf sie herabsehen, sind sie die „Sieger“, wenn es denn welche gibt in dieser Mauer-verbauten Landschaft? Wirft der eine sogar eine Handgranate auf die beiden so Selbstsicheren unten?                                            Die Mauer – „Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und sangen Loblieder; und die Gefangenen hörten ihnen zu. Plötzlich begann ein gewaltiges Erdbeben, so dass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Mit einem Schlag sprangen die Türen auf, und allen fielen die Fesseln ab.“ (Apg 16, 25-27) Hoffnung geben die aufspringenden Türen und fallende Fesseln auch auf Mauern, die fallen werden – Hoffnung auf ein Erdbeben auch für Grundmauern in den Köpfen und Herzen.                                                              Dr. Karl Remmen

„Lang schlängelt sich die dunkle Mauer dahin, scheinbar unüberwindbar. Und doch lässt sie sich erklimmen. Vielleicht braucht es nur ein bisschen Geduld“, denkt sich WZ−Mitarbeiter Sven Prange zum 19. Motiv des Adventskalenders von Künstler Wilhelm Schiefer.                                                                            Westdeutsche Zeitung  -  20.12.2006

 

 

 

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© Wilhelm Schiefer (2002)