Kunstaktion "Wachsender Adventskalender 2006" - Tag 17

Wir bewegen uns unsicher in einem Netz. Wir benötigen Hilfe, wir geben auch Hilfe. Hat es Erfolg? Gelingt unser Bemühen um Aufstieg, unsere Anstrengung, nicht zu fallen? Helfen wir uns gegenseitig oder greifen wir aneinander vorbei? Das Bild wirft viele Fragen auf. Ich vermisse Hinweise auf den Advent, aus dem für den Glaubenden die Hoffnung auf Hilfe kommt.  Wolfgang Kral

Bei diesem Zirkuskunststück kann nicht viel passieren. Selbst wenn die Akrobatin die ausgestreckten Hände des Partners verfehlen sollte oder er danebengreift, wird sie hinreichend abgesichert sein. Blamage vielleicht, aber kein ernsthafter Schaden. Gut so, mehr Risiko sollte nicht sein.
Dennoch erinnert das Bild daran, wie wichtig Vertrauen ist, auch im Alltag. Man muss sich auf den anderen und die anderen verlassen können, darauf, dass anvertraute Geheimnisse nicht ausgeplaudert werden, darauf, dass Autofahrer die Verkehrsregeln einhalten, darauf, dass die Lebensmittel, die man kauft, nicht verdorben sind, darauf, dass die Schulnoten gerecht sind, und auch darauf, dass die Politiker nicht nur an ihre eigene Partei, sondern an das Ganze denken. Vertrauen und des Vertrauens würdig sein, darauf käme es an. Anders funktioniert keine Gemeinschaft und keine Gesellschaft. Allerdings spricht man auch von einem gesunden Misstrauen. Vertrauen darf nicht mit Leichtgläubigkeit verwechselt werden. Man mache es sonst denen, die kein Vertrauen verdienen, zu leicht.
Auffällig in diesem Bild sind wieder die Hände, die bei Willi Schiefer eine wichtige Rolle spielen und ganz Unterschiedliches ausdrücken können. Sie gehören in der Tat zu den Wesensmerkmalen des Menschen. Samy Molcho sagt: "Hände können nicht lügen." Hat er recht? Ein Quäntchen Misstrauen dürfte auch hier nicht falsch sein.
Helmut Engels

Auf den ersten Blick denkt man an ein Paar in der Zirkuskuppel, das seine Trapezkünste zeigt. Doch ist die Frau durch einen Ring gegen den Absturz abgesichert, und der Mann schwebt eher ohne inneres Zusammenspiel mit der Partnerin an ihr vorbei. Also Vortäuschung falscher Tatsachen, statt echter Risiken des Zirkusgeschäftes. In Düsseldorf im Apollo und in Neuss werden zur Zeit Zirkuskünste dargeboten. Sollte Wilhelm Schiefer mit seinem Enkel dort gewesen sein, trotz seiner knapp bemessenen Zeit wegen der aktuellen Darstellungen seines wachsenden Adventskalenders? Echte Trapezkünste setzen beiderseitiges Vertrauen voraus. Die ganze Adventszeit handelt von Vertrauen und Hoffnung auf den, der zur Rettung der Menschen geweissagt wurde. Dieser jedoch war nicht abgesichert, denn er war Mensch.                                 Sabine und Herbert Jacobs

Trotz Sicherungsseil bleibt ein Restrisiko. Dieses können wir Menschen nicht ausschalten. Oder lautet die Botschaft des Bildes?: Wir Zuschauer bringen die Artisten in Gefahr, nur um unseren Nervenkitzel zu befriedigen!
Ilse und Ludwig Petry, Meerbusch

Auf den ersten Blick  erinnert mich das Bild an ein Spinnennetz, in dem das Weibchen die Fäden zieht, um das  herbeistürzende Männchen zu fangen und nach der Begattung aufzufressen. Bei längerem Betrachten kommt mir allerdings auch eine schöne Kurzgeschichte von Werner Bergengruen in den Sinn (den Titel habe ich leider vergessen - "Das Netz", oder so ähnlich): In einem Fischerdorf im Norden wird ein Mann wegen Ehebruchs vom Richter zum Tode verurteilt. Er soll am nächsten Morgen von den Klippen ins Meer gestürzt werden. Aber in der Nacht spannt seine Frau, die er betrogen hatte, unterhalb der Klippen die Fischernetze aus. Als der Henker den Mann am anderen Morgen von der Klippe hinabstürzt, wird er sicher vom Netz - von der verzeihenden Liebe der Frau - aufgefangen. Für mich ein wunderschönes Gleichnis der Liebe Gottes! 

Josef Grüning

Zwei Frauen am fliegenden Trapez. Die eine schwingt - Kopf nach unten - durch die Zirkuskuppel, die andere ist im Begriff, die Unterarme ihrer Partnerin zu fassen und mitzuschwingen. Eine dynamische Bewegung - und trotzdem mutet die Situation wie eingefroren an. Die linke Frau macht einen entschiedenen Schritt auf die andere zu, aber wohin schwingt die Partnerin? Nach links, zur Schreitenden hin? Oder nach rechts, von der Schreitenden weg? Ist das die Sekunde vor dem gemeinsamen Weiterschwingen oder der Moment vor dem Absturz? Diese Frage bleibt offen.  Utz Peter Greis

„Die Frau scheint ins Bodenlose zu fallen, sie verliert den Halt. Trotzdem gibt es für sie noch Hoffnung. Irgendwo könnte ja noch jemand sein, der sie auffängt. Und vielleicht gibt es für sie ja auch ein Netz, das für den Betrachter nicht sichtbar ist. Das Bild symbolisiert, dass es immer Hoffnung und Auswege gibt – auch wenn es manchmal auf den ersten Blick gar nicht so scheint“, so sieht WZ−Volontärin Christiane Schmidt das 17. Motiv des wachsenden Adventskalenders von Künstler Wilhelm Schiefer. Westdeutsche Zeitung  -  18.12.2006

 

Kommentare sind willkommen (bitte die Bild-Nummer vermerken)               christa_kolling@yahoo.de

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© Wilhelm Schiefer (2002)