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Ausstellung "Wilhelm
Schiefer - Rückblick auf 80 Jahre"
Einführung: Helmut Engels
Sehr geehrte Damen und
Herren, liebe Freundinnen und Freunde der Kunst Willhelm Schiefers! Und
natürlich: lieber Wilhelm Schiefer!
Ich gebe zu: Ich bin ein
wenig verzagt, da ich angesichts der Fülle dessen, was Wilhelm Schiefer in
über einem halben Jahrhundert geschaffen hat, nicht glaube, seinem Werk
gerecht werden zu können.
Ich
werde viel zum Inhaltlichen sagen. Zu kurz kommt aber das, was Kunst ausmacht:
das Ästhetische, Formale. Das kann man nur an einzelnen Werken aufzeigen.
Schaut man zurück, so
lassen sich drei Gruppen von Werken – die auch einen inneren Bezug haben
können – unterscheiden.
Wir haben erstens die
dreidimensionalen Plastiken.
Zweitens die zuweilen ins
Riesige gehenden dreidimensionalen Holzarbeiten.
Und drittens -
bisher zuletzt - die
zweidimensionalen in reinem Schwarz-Weiß gehaltenen Bilder und die
meist aus Metallplatten ausgesägten – das klingt jetzt paradox -
zweidimensionalen Plastiken. Diese
drei Gruppen bilden ein zeitliches Nacheinander.
Zur ersten
Gruppe.
Von wesentlichen Plastiken der siebziger und achtziger Jahre sagte Wilhelm Schiefer selbst:
„Meine Plastiken wollen
Denk-Male sein: Parodien auf Mahnmale, […] Monumente en miniature.
Ausgangspunkt meiner Arbeiten sind Dokumentarfotos. Ich versuche, der im
täglichen Konsum abgeflachten Realität dieser Fotos durch Nachvollzug wieder
Plastizität zu geben“. Und ich
möchte hinzufügen: Nicht nur Plastizität im Sinne des Dreidimensionalen,
sondern im Sinne des konkret, real, detailliert Erfahrbaren und so
Berührenden.
Diese Plastiken
reflektieren u.a. den Vietnamkrieg, die Hungersnot in Biafra und den Terror in
der Bundesrepublik Deutschland. Besonders erschreckend sind für mich die
Plastiken von Kindern, von hungernden, verstümmelten, leidenden und toten
Kindern. Manche im Sumpf versinkend. Die Niedlichkeit der kleinen Figuren
steht in einem scharfen Kontrast zum Dargestellten, das so in besonderem Maße
schockiert.
Aus jener Zeit stammen
auch einige wenige lebensgroße Arbeiten, die Krankheit, Alter und Tod
repräsentieren, aber auch erfreuliche Kinderbüsten.
Zu den Arbeiten aus Holz.
- Da gibt es Stühle, die
sich ihrer Funktion widersetzen, die geradezu aufmüpfig sind.
- Monumental sind die
Türhüter - Torbögen und Sitzende in eins - , die an Kafkas Parabel „Vor dem
Gesetz“ erinnern.
- Irritierend sind die
Objekte, in denen die Perspektivität selbst durch extreme Verkürzungen
demonstriert wird. Sie mögen uns daran erinnern, dass all unser Wahrnehmen,
Denken, Fühlen, Erkennen und Verkennen standpunktgebunden ist und somit
perspektivischen Charakter hat.
- Und es gibt Türme, auf
Stelzen stehende Hütten, und vielfach: sich nach oben hin verjüngende Treppen
und Leitern.
Man hat Schiefer
vorgeworfen, die Arbeiten aus Holz passten nicht zu seinen figürlichen
Plastiken.
Ich meine, es ist durchaus
akzeptabel, wenn ein Künstler sich einem neuen Gebiet zuwendet. Man muss doch
kein Markenzeichen haben wie Uecker oder Vasarely, deren Werke sich auf Anhieb
dem Urheber zuordnen lassen.
Es gibt allerdings
durchaus eine innere Verbindung - inhaltlich und formal - zwischen den
figürlichen Plastiken und einer Reihe von Holzobjekten.
Fasziniert hat Schiefer
das Motiv des Fliegens. Es findet sich in den von ihm geschaffenen vielen
kleinen Ikarus-Figürchen.
Schiefer sagt: „Wir sind
determiniert durch die Realität. Die Grenzen, die die Realität uns steckt,
wollen wir phantasierend überwinden. Seit Alters her ist das Fliegen hierfür
Sinnbild.“
Den Übergang zu den
Holzobjekten bilden die Vorrichtungen, die Gerüste, die die Flugversuche
ermöglichen sollen.
In einigen seiner Arbeiten
ist die Startrampe auf Leitern reduziert worden. Die Leiter ist, so Schiefer,
Symbol für den Versuch, „aus dem Raumsystem auszusteigen, um es von außen zu
betrachten.“ Seine Leitern lehnen zuweilen an einer imaginären Wand an. Oder
an Wolken, die für den Künstler wiederum Symbol des Himmels, der Phantasie
sind.
Fragen wir in
diesem Zusammenhang, warum bei Schiefer Häuser oder Hütten auf langen Stelzen
stehen. Da zeigt sich doch auch, dass da einer hoch hinaus will, sich abheben
und Distanz gewinnen möchte.
Da ich im Folgenden
genauer darauf eingehe, möchte ich zur dritten Gruppe - zum Zweidimensionalen
- hier nur so viel sagen. Wie kommt es,
dass ein Bildhauer, dessen Medium der dreidimensionale Raum ist, sich der
Fläche zuwendet? Bequemlichkeit dürfte kaum der Grund sein - Schiefer ist
immens fleißig -, wohl aber die Herausforderung, in nur zwei Dimensionen das
zu zeigen, wofür man zuvor drei Dimensionen benötigte.
Soviel also zu einem, ja,
recht groben Überblick.
(1.) 2005 schuf er für die
gläserne Fassade der Stadtbibliothek Neuss unter dem Titel „24 Tagewerke“
einen wachsenden Adventskalender. Tag für Tag entstand ein neues, aus
schwarzem Sperrholz bestehendes Sägebild, bis der Kalender auf nicht
vorhersagbare Weise mit dem 24. Bild fertig war.
Der Kalender, den Wilhelm
Schiefer geschaffen hat, bildet einen scharfen Gegensatz
zu dem, was heute vor Weihnachten
üblich ist, einen Kontrast zu dem allgegenwärtigen folkloristischen und
pseudoreligiösen Kitsch, zu dem optischen und akustischen Lärm, der dem
Kaufanreiz dient.
Wilhelm Schiefer wollte
Monochromie statt des flirrend Bunten, er wollte die Offenheit für den
aktuellen Zustand der Welt statt rührseliger und falscher Nostalgie.
Thematischer Anlass für
die Adventsbilder waren fast ausnahmslos Fotos, die Schiefer Tag für Tag in
Zeitungen fand. Ihr Inhalt: politische Ereignisse, Katastrophen, Momente aus
Kunst, Natur und Sport, Familiäres und - wider Erwarten - nur wenig
Religiöses.
Das Gefundene wurde
transformiert, durch neue Elemente kommentiert und durch Konzentration auf das
Wesentliche mit einer umfassenderen Bedeutung aufgeladen.
Formal sind die Bilder
trotz des einheitlichen Schwarz vor durchsichtigem Glas recht unterschiedlich.
Ein expressionistischer Gestus findet sich ebenso wie die Reduktion auf
Elementares, eine Art Minimalismus steht neben einem Erfindungskraft
beweisenden Formenreichtum.
Nie genügt ein flüchtiger
Blick, um das Gemeinte zu erschließen. Dazu bedarf es eines längeren
Verweilens. Diese Sinnbilder - nicht Abbilder - sind fast immer doppelbödig,
hintergründig.
Beeindruckend finde ich
Folgendes. Wilhelm Schiefer bat Freunde
und Bekannte, zu den täglich entstehenden Bildern persönliche Kommentare zu
verfassen. Eine solche Einladung zur kreativen, vielleicht auch kritischen
Mitarbeit ist alles andere als selbstverständlich und verdient ungeteilte
Anerkennung. Vollständigkeit sollte der Kalender nicht durch das
Einfügen des letzten Bildes, sondern durch das geschriebene Wort erhalten.
Die veröffentlichten
Kommentare zu den Bildern sind so vielfältig wie die Menschen, die sie
verfasst haben. Die Deutungen und Anmerkungen öffnen den Blick und erzeugen
Irritationn, nötigen den Leser zur Selbstkorrektur. Und es gibt Kommentare zu
dem, was andere geschrieben haben, so dass eine Art Gespräch entsteht.
Bilderwand und die zugehörigen Kommentare
bilden ein Gemeinschaftswerk, dessen Hauptverfasser Wilhelm Schiefer ist.
Sein Anliegen? Nimmt man auch die Plastiken und
spätere Werke mit hinzu, dann wird sichtbar:
Dieser Mann ist jemand, der sich aussetzt, der
sich öffnet, der sich betreffen und anrühren lässt von dem, was in der Welt
geschieht, auch von dem Schrecklichen, das Menschen einander antun.
Das Wahrgenommene verwandelt er in Werke, die
seine Erfahrungen vermitteln. Er will bewegen, sensibilisieren, zu denken
geben. Und dies gelingt ihm, da er über das notwendige Handwerkszeug und die
Fähigkeit verfügt, Gedachtem und Erlebtem einen überzeugenden sinnlichen
Ausdruck zu verleihen.
(2.)
Wiederum Vierundzwanzig Tagewerke, auch
aus schwarzen Sägebildern bestehend, hat Schiefer
2006 für Kaarst
geschaffen, genauer: für die
Fenster des Atriums zwischen Bürgerhaus und Rathaus. Diese Tagewerke sind
keineswegs eine bloße Replik des Neusser Kalenders.
Denn es gibt signifikante
Unterschiede. Während zuvor die bloße Silhouette dominierte und fast
ausnahmslos Plakatives gezeigt wurde, ist auf vielen Bildern nun auch
Räumliches sichtbar, indem durch das Spiel von Licht und Schatten eine vorher
nicht vorhandene Plastizität erzeugt wird.
Außerdem: Die Personen
des Kalenders von 2005 waren gesichtslos, jetzt aber wird Mimik deutlich. Man
denke an den Ausdruck von Triumph im Gesicht der Gefeierten (9. Tag), an die
missmutige, unwirsche Mimik des am Tropf Hängenden, der trotz seiner Krankheit
weiter raucht (11. Tag), oder an den ernsten, konzentrierten Gesichtsausdruck
des „Schachspielers“ (16. Tag).
Gezeigt wird auch -
anders als im Neusser Kalender -, was in einer realistischen Darstellung nicht
sichtbar werden könnte: das, was innerhalb eines Körpers verborgen ist, wie
Jona im Innern des großen Fisches oder das Ungeborene im Leib der jungen Frau.
Ein wunderbares Bild, so meine ich.
Auffällig am Kaarster
Kalender ist die intensivere Verrätselung. Wilhelm Schiefer besitzt ein hohes
Maß an Findigkeit, wenn es gilt, Fehlspuren zu legen, mit seinen Suchbildern
zu vexieren und uns, die wir doch so gut Bescheid wissen, ratlos zu machen.
Was will Wilhelm Schiefer
mit seinen Kryptogrammen? Der Künstler möchte offenbar den Betrachter zur
Besinnung bringen, zu Nachdenklichkeit, Reflexion. Seine Bilder wollen nicht
einlullen. Sie rufen uns vielmehr zu: Schaut genau hin, bleibt nicht beim
erstbesten Gedanken hängen, seid kritisch gegenüber einem vorschnellen Urteil.
Der Reichtum der Themen
ist bemerkenswert. Engel und Teufel, Arbeit und Fest, Politik und
Showgeschäft, Angst und Geborgenheit, Tod und Geburt, Furcht und Hoffnung, und
so fort: Immer wieder fühlt sich der Betrachter zu Gedanken angeregt, die ins
Allgemeine und Grundsätzliche, ja ins Existentielle gehen.
Der Öffentlichkeit war der Kalender nicht nur an Ort und Stelle
zugänglich, sondern auch im Internet, in dem Interessierten die Möglichkeit
geboten wurde, sich zu äußern.
In das von
Christa Kolling umsichtig betreute Internet-Projekt wurden immerhin weit über
zweihundert Beiträge gestellt. (Nebenher: Von Christa Kolling gibt es auf
You-Tube wirklich sehenswerte Videos, die dem Werk von Wilhelm Schiefer
gewidmet sind.)
Die Vielfalt
der eindrucksvollen Kommentare bewies, welche Kraft in diesen Bildern steckt,
im Betrachter eigene, auch ganz persönliche Vorstellungen zu wecken.
Diese Kommentare
enthalten Besinnliches, aber es ist auch Rede vom Gasprom-Arbeiter, von der
Offshore-Plattform zum Ölbohren, von Stammzellen-
und Embryonenforschung, von Shareholder-Value und von
Nichtraucher-Bahnhöfen. Die Mauer zwischen Palästina und Israel findet ebenso
Erwähnung wie die Ausladung des Putin-Kritikers Kasparow aus einer
Fernsehrunde.
Fast immer spürt man,
dass es um die Sorge geht, auf humane Weise Mensch zu sein.
(3.) Einen Ausflug in den Bereich
der Zeitkunst – im Unterschied zur Raumkunst – macht Wilhelm Schiefer, indem
er seine streng schwarz-weiß gehaltenen Bilder in Bewegung setzt.
Bei seiner
Hungertuch-Aktion in der Fastenzeit
2006 hat er die Altarwand in der
Kaarster St.-Martinus-Kirche mit einer 9 x
Themen der sich wandelnden Projektionen sind:
- Die gesichtslose Masse, die zu einem
Demagogen, einem Popstar und zu dem geschundenen Jesus hinaufschaut.
- Eine Mauer, die schützt, indem sie
ausschließt.
- Die Abwandlung des Jona-Motivs.
- Totenklage.
- Nachfolge Christi.
- Der Global Player.
Und, was wir alle kennen, die Versuchung. Bei
ihrer Darstellung konnte dem Betrachter durch den Kopf gehen, was alles Macht
über uns gewinnen, was uns süchtig machen kann.
Die zuweilen quälend langsamen Veränderungen
des Dargestellten verlangen Geduld und genaues Hinschauen vom Betrachter.
- Ein schlankes Brett, von einem leichtfüßigen
Menschen getragen, verwandelt sich allmählich in ein lastendes Kreuz.
- Lemurenhaftes greift in fast unmerklichen
Bewegungen nach einer menschlichen Gestalt.
- Figuren tauchen aus dem Nichts wie aus einem
Nebel auf und schwinden wieder.
In die Hungertuch-Aktionen wurden, bezeichnend
für Wilhelm Schiefer, auch Freunde und gute Bekannte einbezogen, die ihre
Gedanken angesichts des Gezeigten vortrugen.
(4.) Das spektakulärste Projekt, das nicht ohne
Widerstand und mit einem
gewaltigen Engagement von unterschiedlichen Seiten realisiert worden ist,
besteht natürlich in der Errichtung der
Brücken über den Nordkanal. Die große Eröffnungsfeier fand im Mai
2008 statt, also ziemlich genau vor
sieben Jahren.
Hierzu möchte ich nichts – fast nichts - weiter
sagen, da schon so viel darüber geschrieben und diskutiert worden ist. Der
gesamte Vorgang ist bestens dokumentiert.
Ich sehe dieses sogenannte Kommunikationsmodell
als Modell einer versuchten, aber noch scheiternden, noch missglückenden
Kommunikation. Es stellt nichts Utopisches dar, sondern schildert als
Megametapher einen realen Zustand, den es zu überwinden gilt.
Ich bin nun weder Alt-Kaarster, noch Büttgener,
noch Holzbüttgener noch Driescher noch Vorster und weiß daher nicht, ob diese
dreidimensionale hochaufragende Mahnung irgendeine Wirkung gezeigt hat.
Die Brücken sind inzwischen jedenfalls soweit
akzepiert, dass - wie ich gehört habe - ihr Abbild sogar auf - wie nenne ich
sie - Plaketten der Schützenbruderschaft Kaarst zu finden ist. Und auch in
Köln erfährt man, dass es lohnenswert ist, sich dieses Kommunikationsmodell
anzuschauen.
Kaarst hat diesem Werk Modell gestanden - falls
man das so sagen kann -, es besitzt
jedoch eine über das Regionale hinausgehende Bedeutung. Es gibt so oder
so zu denken.
Dies also zu den vier
Projekten, deren gemeinsamer Tenor die Frage nach einer humanen Existenz ist.
Erwähnenswert ist folgende Aktion: 1981 hat
Schiefer in Gedenken an die Progromnacht 1938 eine Pyramide aus 600 Kerzen
aufgebaut, die an die 6 Millionen Opfer des Holokaust erinnern sollten. Die in
klarer Ordnung stehenden Kerzen wurden angezündet. Durch die Hitze schmolzen
allmählich die Kerzen und es entwickelte sich ein flammendes Inferno.
Kurz noch etwas zu einzelnen Werken. (Es sind
nur drei!)
Besonders beeindruckt hat mich das
schwarz-weiße „Gruppenbild 3“. Hier wird deutlich, wie Schiefer eine
Fotovorlage umsetzt. Gezeigt wird eine Szene aus dem Abu-Ghuraib-Gefängnis im
Irak: Sie wird Ihnen bekannt sein: Die junge Armeeangehörige Lynndie England
hält einen am Boden liegenden Gefangenen an einer Leine. Schiefer gibt die
junge Frau sehr genau als Silhouette wieder, der Körper des Gefangenen aber
wird so verändert, dass seine innere Qual in dem sich verkrampfenden,
sozusagen schreienden Körper sichtbar wird. Diese Szene wird wiederum – als
spiele sie auf einer Bühne - von
einer Gruppe gesichtsloser Menschen in gelassener Haltung betrachtet.
Das selbst leuchtende, eindrucksvolle
Vektorbild „Centralstation“ greift das Motiv der großen Vorhalle der „Grand
Central Station“ in New York auf, verändert räumliche Details und erzeugt
durch das Licht und die Bewegungsrichtung der Menschen den intensiven Eindruck
eines – wie auch immer zu verstehenden – sakralen Geschehens. Schauen Sie
selbst!
Hinweisen möchte ich noch auf die Plastik, die
2008 vor der Feuerwehr in Kaarst aufgestellt wurde. Sie heißt schlicht
„Gruppe“ und besteht aus sieben lebensgroßen, aus Stahlplatten geschnittenen
Gestalten.
Warum - so fragt man sich - sind diese
männlichen Figuren identisch, ohne Individualität? Warum sind sie gesichtslos?
Warum streben sie in exakt dieselbe Richtung, in gleicher Weise ausschreitend?
Warum diese nach vorn geneigte Haltung, als gingen die Männer gegen einen
Sturm an? Ich denke, auf diese Fragen gibt es durchaus sinnvolle Antworten
Wie Sie wissen, haben
viele Werke von Schiefer etwas Bedrückendes, Düsteres, sind Klage und Anklage.
Es gibt aber auch die
andere Seite, die Feier der Lebensfreude, ja des Ekstatischen.
Denken Sie nur an die
pralle, dralle weibliche Figur im Kaarster Rathausweiher, die sich - bis in
die Fingerspitzen hinein - einem
ekstatischen Tanz hingibt. Auch einige seiner – meist kreisrunden -
Fensterbilder gehören in diesen Bereich der Lebensfreude.
Durchaus heiter, verspielt
und witzig sind einige Bilder des Zyklus "Im Gebirg“ und der parallel hierzu
entstandenen Werke wie „Seeufer“, „Zwei Männer den Mond betrachtend“ und
„Gegenspieler“.
Und es gibt da die kleinen
beidseitig farbig bemalten Holzfiguren – ja, Schiefer kann auch malen - ,
die nicht nur komisch sind, sondern geradezu ins Frivole tendieren und
einen fast boshaften Witz beweisen. Leider hier nicht zu sehen.
Ein Letztes. Das, was
Wilhelm Schiefer geschaffen hat, ist aufs Ganze gesehen eher spröde, es ist
nicht gefällig, es biedert sich nicht an. Man muss sich darauf einlassen, um
es zu verstehen und zu schätzen.
Ich habe überlegt, welcher
Strömung oder welcher Kategorie zeitgenössischer Kunst Schiefers Werk
zuzuordnen ist. Ich habe keine passende Schublade gefunden: Das Geschaffene
ist eigenständig, eigenwillig und – ja, das auch – eigensinnig.
Ich bin dankbar für das,
was Wilhelm Schiefer geschaffen hat.
Schauen Sie selbst!